
Gespräche mit Zeitzeugen
Auf der folgenden Seite sind 3 Zeitzeugen Interviews in Audio- sowie Videoformat veröffentlicht. Anschließend findet eine qualitativ angelegte Auswertung zu meinen Themenschwerpunkten statt. Falls Sie ebenfalls Ihre Erlebnisse teilen möchte, können Sie dies gerne im Forum tun oder mich Kontaktieren.
Erlebnisse im Tal der Ahnungslosen von Viola
Erkenntnisse
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Medienkonsum zu Beginn: in der DDR - Nutzung von Zeitungen ("Neues Deutschland", "Junge Welt"), Radio (inkl. DT64), DDR-Fernsehen1.
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Zweifel an DDR-Medien: Anfänglicher Glaube, später Zweifel durch Vergleich mit Westmedien
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Wunsch nach Westmedien: Interesse wuchs im Studium, ermöglicht durch Reisen und Austausch
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Medienkonsum Videogemeinschaften - tauschten Kassetten, Bau von Antennen und Parabolspiegeln für Westfernsehen, Reisen in Gebiete mit Empfang
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Repressionen: Vermeidung von Gesprächen über Westmedien im Familienkreis, Kontrollen wegen Parabolspiegeln, aber keine Verhaftungen
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Wachsende Unzufriedenheit: Der eingeschränkte Medienzugang trug zur Unzufriedenheit und zum Hinterfragen der DDR-Ideologie bei
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Ideologie vs. Fakten: Westmedien führten zur Erkenntnis, dass DDR-Medien Ideologie statt Fakten vermittelten
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"Tal der Ahnungslosen" war despektierlich: Dresdner hatten eingeschränkten Zugang, suchten aber andere Informationsquellen
Schilderung der Mediennutzung im Tal der Ahnungslosen von Frau Jahnel
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Erkenntnisse​
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​Dresden als "Tal der Ahnungslosen": Schwieriger Empfang von Westfernsehen, Rundfunk jedoch möglich​
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Konsumverhalten: Nutzung von Deutschlandfunk und RIAS, Westzeitschriften und Austausch im Kollegenkreis bzw. Kirche
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Informationsbewertung: Geringe Glaubwürdigkeit der DDR-Medien: Misstrauen gegenüber Nachrichten und Zeitungen, Fokus auf Westsender (Radio)​​​
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Konsequenzen: um Repressionen zu entgehen, wurde öffentlich nicht über Konsum gesprochen
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​Westmedien nach Wende: vermittelten "falsches Bild" des Westens: der goldene Westen war nicht nur perfekt - Medien ebenso ideologisch aufgeladen
Zeitzeugeninterview mit Frau Todt, als Perspektive außerhalb auf das Tal der Ahnungslosen
Erkenntnisse​
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Normalisierung: Westfernsehen war normalisiert und einfach zu empfangen Antenne hinter der Gardine
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Konsumverhalten: man wollte die BRD kennenlernen, jedoch bestand der Konsum sehr oft aus vergnüglichen Inhalten (z.B. Musik)
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Konsequenzen: Vorsicht beim Sprechen über Westmedien wegen Stasi-Spitzeln, daher auch außerhalb Dresdens Repressionen gegenüber Nutzung
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Informationsbewertung: Trotz Westmedien kein Gefühl umfassender Informationen​​
Fazit
​Hier meine Ergebnisse der qualitativen Auswertung zu den eingangs (Seite der Fragestellungen) formulierten Themenschwerpunkten.
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Die Interviews ergaben, dass die DDR-Medien als wenig vertrauenswürdig wahrgenommen wurden, da ihre Berichterstattung stark ideologisch geprägt war (des Umstands war man sich bewusst - z.B. durch Westverwandte). Auch lässt sich festhalten, dass ein Vertrauensverlust mit der Zeit stattfand (selbst "sinnvolles" Handeln der politischen Akteure wurde hinterfragt). Daher bestand ein großes Verlangen nach Westfunk, um sich alternative Informationen zu beschaffen.
In den Haushalten wurden Westmedien oft heimlich konsumiert – sei es über versteckte Antennen, Videogemeinschaften oder Radio. Außerhalb des Tals der Ahnungslosen war dies weit einfacher möglich.
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Wer offen Westmedien konsumierte, musste mit Repressionen rechnen, wobei diese nicht nur Dresden betrafen, sondern in der gesamten DDR eine Rolle spielten.
Trotz des Begriffs waren die Menschen nicht in diesem Sinne ahnungslos, sondern nutzten kreative Wege, um das Informationsvakuum zu durchbrechen - z.B. Mund zu Mund Propaganda oder Austausch von aufgenommenen Inhalten.
Da es jedoch keinen eigenen Zugang zu Westfernsehen gab, wurde die BRD glorifiziert - die Informationen der Westmedien wurden zumeist als die "richtigen und wahren hingenommen" (obwohl diese ebenfalls ihre eigene kapitalistische Agenda verbreiteten) was sich jedoch mit der Wende relativierte.
Mir haben die Zeitzeugeninterviews viel Spaß bereitet – Geschichte bzw. Erfahrungen aus erster Hand zu erleben, ist etwas ganz anderes, als nur Literatur zu verwenden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Thema des “Tals der Ahnungslosen” vor den Gesprächen keine große Rolle in der Gegenwart spielte bzw. nicht präsent war. Im Laufe der Unterhaltung waren die Erfahrungen meiner Interviewpartner jedoch klar vorhanden. Die Erfahrungen und Erlebnisse von Repressionen, Einschränkungen und medialer Unterdrückung sind bis also heute präsent. Daher lässt sich bestätigen, dass diese sehr einprägsam waren.
(Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, den Interviewten vorab keinen konkreten Fragebogen zu senden, sondern lediglich das Thema des Gesprächs (“Tal der Ahnungslosen”) genannt. Somit waren die Antworten spontaner und lassen Rückschlüsse auf die Bedeutung zu).
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Quellen:
​Bild:
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Seite, "Bürgerperspektive":SLUB/Deutsche Fotothek, Höhne, Erich & Pohl, Erich: Dresden. Hausversammlungen​​
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Interviews:
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Herzlichen Dank an Viola, Frau Jahnel, Frau Todt, Herrn Zander und Herrn Ulrich, sowie an die weiteren anonym eingeflossenen Gesprächspartner (u.a. aus Schule, im Bus, im Sächsischem Staatsarchiv)