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Durfte man die Medienkontrolle der SED mittels Rundfunk und TV aus der BRD umgehen?

Westfunk in der DDR: Zwischen Duldung und Repression

Rechtliche Grauzone

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Offiziell gab es kein Gesetz, das den Konsum von bundesdeutschem Fernsehen und Rundfunk unter Strafe stellte. Eine Ausnahme galt dabei für „Angehörige der Staatsorgane wie der NVA, der Polizei und der Feuerwehr“. Ihnen wurde der Empfang bis 1987 gesetzlich untersagt. Dennoch war es auch für den Rest der Bevölkerung durch den Staat unerwünscht „Feindsender“ zu empfangen (Q1). Daher sollte, nach logischem Menschenverstand keine Repression legitim sein.

 

Das Strafrecht der DDR sah dies jedoch anders. Paragraphen, die besonders vage formuliert waren, konnten so auch zur Verfolgung von Personen genutzt werden, die Inhalte westlicher Medien verbal kommunizierten oder verbreiteten. 

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Beispielsweise gab es Prozesse hinsichtlich „staatsgefährdender Propaganda und Hetze“.

 

Ironischerweise hätte es nach Artikel 27 in der Verfassung der DDR eine Repression in diesem Fall sogar offiziell nicht geben dürfen:

 

„Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen

dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird

durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht“ (Vgl. Q8)

 

Aufgrund der ausgemachten Gefahr durch die SED / Stasi, bestimmte das Bild der„ideologischen Diversion“ (abweichen von sozialistischen Normen) seit dem Ende der 1960er Jahre den übliche Terminus der westlichen Medien im öffentlichen Diskurs der DDR. (vgl. Dittmar S.30)

 

In diesem Zuge gab es unterschiedliche Aktionen, u.a. von der FDJ und des MfS in Dresden sowie der DDR, welche sich gegen den Empfang von Westfernsehen richtete.

Entwicklung der Repressionen gegenüber Westfernsehen

 

Die Repressionen gegenüber westlichem Empang unterschieden sich im Verlauf der DDR. Nach der Dokumentation: „Westfernsehen Marke Eigenbau im Tal der Ahnungslosen“ vom MDR, lassen sich sinnvoll 4 Zeitabschnitte abgrenzen. (Q4)

(Inhalte eigenständig ergänzt)

Aktive Bekämpfung (1960er bis Anfang 1970er)

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Die DDR unternahm anfangs gezielte Maßnahmen, um den Empfang von Westfernsehen zu erschweren. Dazu gehörte auch die "Aktion Ochsenkopf". Hierbei wurden mit der Unterstützung der FDJ sowie Feuerwehr, westlich ausgerichtete Antennen entfernt sowie zerstört. Den Namen trägt die Aktion, da es auf dem „Ochsenkopf“ einen Sendestandort der ARD gab. (Q2).

 

Zudem gab es wie einleitend erwähnt, Strafen für das Verbreiten von Informationen aus westlichen Medien.

 

Auch wurde mittels Störsender versucht, vor allem den Rundfunk zu stören bzw. zu blockieren. Dies endete erst 1978 (Q5)

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Konkret in Dresden gab u.a. eine Sitzung durch den Bezirksvorstand durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, welche sich der Thematik "Warum hört man RIAS? sowie Verpflichtungen gegen das Westfernsehen". (Leider fehlten die betreffenden Protokolle der Sitzung im Sächsischen Staatsarchiv) 

Missbilligende Duldung (1970er bis Anfang 1980er)

Eine Zäsur markierte eine Mitteilung Erich Honeckers im Mai 1973 in der überregionalen Zeitung „Neues Deutschland“: „Die westlichen Massenmedien, vor allem der Rundfunk und das Fernsehen der BRD, die ja bei uns jeder nach Belieben ein- oder ausschalten kann […]“ (Honecker, S. 235)

 

Nun wurde also bekannt, dass von höchster Stelle eine Verwendung der westlichen Medien nicht in Gänze ausgeschlossen wurde.

 

Obwohl der Konsum von bundesdeutschen Medien weit verbreitet war, war es dennoch ratsam, diesen nicht öffentlich zu machen. Wer sich offen dazu bekannte, musste weiterhin mit Problemen in der Schule, im Beruf oder innerhalb der Partei rechnen.

(Siehe Zeitzeugeninterviews)

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Während meinen Recherchen konnte ich kein konkretes Material in diesem Zeitraums in Bezug auf Dresden finden.

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Hinhaltende Duldung (Anfang bis Mitte der 1980er)

Mit der Zeit wurde die staatliche Kontrolle weiterhin gelockert. Der Rundfunkempfang war in der DDR weithin normalisiert. Auch wurde das Programm innerhalb der hinsichtlich der Inhalte teilweise von der sozialistischen Linie gelockert (Q9).

 

Der Bau von Gemeinschaftsantennenanlagen für den Westempfang wurde zunehmend toleriert. In Dresden geschah dies jedoch erst gegen Mitte der 80er Jahre. Insgesamt bewegten sich diese Initiativen oft in einer rechtlichen Grauzone und mussten bürokratische Hürden überwinden, insbesondere bei der Beschaffung von Material und Genehmigungen, was nicht immer gelang. (Q7)​

Duldung und partielle Förderung (ab Mitte der 1980er)

Mit der Verbreitung von Satellitentechnik wurde der Empfang westlicher Programme immer einfacher, allerdings war die benötigte Technik in der DDR schwer erhältlich.

Dies führte dazu, dass sich immer mehr Gemeinschaftsempfangsanlagen entwickelten, die von den Behörden kaum noch behindert wurden.

 

In der späten Phase wurden einige dieser Antennengemeinschaften sogar materiell unterstützt, wenn sie offiziell dem Empfang der DDR Programme dienten.

Der Westempfang wurde von offizieller Seite der Politik nicht mehr konkret thematisiert, in weiten Teilen kam es kaum noch Konsequenzen für Zuschauer. (Interview, Herr Stöver)

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In Dresden gab es jedoch weiterhin intensivere Überwachung.

Beispielsweise erhielt die Antennengemeinschaft in Dresden Coschütz-Plauen noch im Jahr 1988 eine Aufforderung die Installationen zu unterlassen.  (Q10) 

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Überwachung durch die Staatssicherheit

 

Die Staatssicherheit (Stasi) führte Listen mit Adressen von Bürgern, die offen sichtbare Antennen an ihren Häusern hatten. Durch operative Vorgänge (OV) und Aufklärungsmaßnahmen wurde gezielt nach Personen gesucht, die Westmedien nutzten oder Inhalte weiterverbreiteten. Dies geschah zu Beginn in der DDR. In Dresden hielt die Überwachung jedoch besonders lange an. Vielleicht glaubte man (politsche Führung), dass „Im Tal der Ahnungslosen“ noch „die Flucht mittels des Kopfes“ verhindern zu können (wie auch die Repressionen gegen die Antennengemeinschaft Coschütz-Plauen zeigt). (Q7)

 

Weitere Informationen über Machenschaften des MfS in Dresden sind auf den Seiten über die Gruppe Volkszwang sowie Antennengemeinschaften zu finden. Auch Zeitzeugen berichten über die Stasi.

Fazit

 

Der Konsum von Westfernsehen in der DDR bewegte sich in einer rechtlichen Grauzone. Offiziell nicht verboten, aber inoffiziell bekämpft, setzte die SED-Führung auf eine Kombination aus Propaganda und Repression um die ideologische Kontrolle über die Bevölkerung zu bewahren.

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Musste man Repressionen erwarten, wenn man den Willen zeigte, westliche Medien zu konsumieren - gab es einen Unterschied zum Rest der DDR?:

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Der Themenschwerpunkt kein eindeutig bejaht werden. Es gab in der gesamten DDR Repressionen gegen Bürger auf Grund von westlichen Radio oder Fernsehen.

Über die Frage, warum in Dresden die Überwachung länger anhielt wohingegen, in weiten Teilen der Konsum normalisiert war, lässt sich nach meinen Recherchen nicht durch Dokumente belegen. Eine These könnte die gesonderte Lage des "Tals der Ahnungslosen" haben - vielleicht glaubte man, dass hier die politisch-ideologischen Inhalte länger bestand haben (auf Grund der geringeren Erfahrungen mit Westfernsehen). 

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Wie wurde die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Informationen aus der DDR eingeschätzt?:

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Abschließend möchte ich nochmals die Inkonsequenz der politischen Ausprägung als weitern Faktor für das Misstrauen der in der DDR vorhandenen Informationen anführen. Der Fakt, dass offensichtlich die Verfassung hinsichtlich der Benutzung von Westfernsehen und Rundfunk durch Justiz und Staat gebrochen wurde, lassen den eindeutigen Schluss des Misstrauens zu. Mehr dazu unter Zeitzeugeninterviews

Quellen:

Literatur​

  1. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2016): Zur Einspeisung westlicher Sender in die Kabelnetze der DDR, [online] https://www.bundestag.de/resource/blob/422660/ed9ee416321a14cc08d19077d1307a1a/WD-10-022-16-pdf.pdf

  2. Scheida, Wolfgang (o. D.): Eine Darstellung der Entwicklung des Fernsehens aus dem "anderen" Deutschland - der früheren DDR [online] http://www.scheida.at/scheida/Televisionen_DDR.htm#Kapitel_10:_Empfangsverbote_und_Restriktionen_zum_Fernsehen_in_der_DDR.

  3. Dittmar, Claudia (2010): Feindliches Fernsehen, das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen, transcript Verlag.

  4. Bönnen, Ute und Endres, Gerald (2004):Westfernsehen Marke Eigenbau Im Tal der Ahnungslosen, [online] http://www.boennen-endres.de/westfernsehen.html

  5. Geschäftsstelle GAG Burgstädt(o. D.): Großantennengemeinschaft Burgstädt und Nachbargemeinden, [online] https://gag-burgstaedt.de/history.html.

  6. Honecker, Erich (1975): Reden und Aufsätze Band 2, Dietz Verlag Berlin.

  7. Stiehler, Hans-Jörg (2001): Leben ohne Westfernsehen, Studien zur Medienwirkung und Mediennutzung in der Region Dresden in den 80er Jahren, Leipziger Universitätsverlag.

  8. Bundeszentrale für politische Bildung (o. D.): Zensur in der DDR - Verbote in Film und Fernsehen der DDR, [online] https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/GuS_08_Staatliches%20Rundfunk-%20und%20Fernsehkomitee.pdf

  9. Deutsches Historisches Museum (o. D.): LeMO Kapitel, Fernsehen, [online] https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/reformversuche-im-osten/fernsehen.html

  10. ​Hartmann, Dieter (o. D.): Entführung aus dem Tal der Ahnungslosen, [online] https://www.gak-ev.de/ueber-uns-die-gak-stellt-sich-vor/interessantes/145-entfuehrung-tal-ahnungslosen.

  11. DER SPIEGEL (2009): Fernsehen, hören, schweigen: [online] https://www.spiegel.de/geschichte/tabus-in-der-ddr-a-949822.html.​​​

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Bilder

  1. Eigener Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4942629

  2. Grafiken, eigene Designanpassungen 

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